Ein flehmendes Pferd sieht meistens sehr witzig aus. Wird der Kopf lang gestreckt und die Oberlippe deutlich nach oben abgeklappt, ergibt sich ein sehr wahrhaft ungewöhnliches Bild des Tieres. Pferde können aus verschiedenen Gründen flehmen und man kann es ihnen sogar gezielt beibringen. Was es sonst noch über das Flehmen beim Pferd zu wissen gibt, das erfährt man im nachfolgenden Beitrag.
Inhalt
Was ist das Flehmen des Pferdes eigentlich genau?
Wer selbst ein Pferd hat oder reitet, wird Pferde schon öfter beim Flehmen gesehen haben. Andere kennen diese besondere Geste vielleicht als Trick aus dem Zirkus oder von lustigen Bildern auf Postkarten oder Postern.
Woher das Wort genau stammt, ist nicht geklärt. Der Duden vermutet einen Zusammenhang mit dem obersächsischen Wort „flemmen“, was so viel bedeutet wie „eine tückische Miene zeigen“.
Tatsächlich sieht der Gesichtsausdruck eines Pferdes, das flehmt, verglichen zur restlichen Mimik sehr ungewöhnlich aus.
Flehmen zählt zu den seltener gezeigten Verhaltensweisen eines Pferdes. Genau genommen dient es der intensiven Aufnahme ausgewählter Gerüche. Unterhalb der Oberlippe liegt nämlich ein ganz besonderes Organ.
Riechen spezial – das Jacobson Organ
Das Jacobson Organ oder auf lateinisch Organum vomeronasale wird von fast allen Wirbeltieren und einigen Fischarten ausgebildet, aber nicht von allen gleich intensiv genutzt. Auch Katzen und Hunde können flehmen. Selbst beim Mensch bildet sich das Jacobson Organ im embryonalen Stadium aus, verschwindet in der weiteren Entwicklung des Fötus im Mutterleib aber wieder.
Das Organ selbst sitzt einige Zentimeter im Inneren zwischen den Nasengängen und dem Gaumen des Pferdes. Am Eingang zwischen Zahnfleisch und Oberlippe befinden sich zwei schlauchartige Sensoren aus hochsensiblen Nervenzellen. Werden diese freigelegt, können winzige Geruchspartikel bis zum Jacobson Organ gelangen.
Das Jacobson Organ dient vermutlich nur zum Riechen und zählt neben der Nase mit den Riech-Schleimhäuten zum olfaktorischen System.
Mit diesem Riech-Organ werden nur ganz bestimmte Arten von Gerüchen aufgenommen und verarbeitet. Vermutlich diente es in längst vergangenen Zeiten auch der Spezies Mensch zur Geruchsorientierung. Irgendwann begann der Mensch sich vorzugsweise visuell zu orientieren und das Jacobson Organ verkümmerte.
Wahrgenommen werden von diesen besonderen Riech-Sensoren vor allem
- Sexuallockstoff bzw. Pheromone
- sonstige Körpergerüche anderer Lebewesen
- Gerüche von Gefahren wie Feuer
- der Geruch von Wasserstellen
- Gerüche von Pflanzen und anderen Nahrungsquellen
- ungewohnte Gerüche.
Wie funktioniert Flehmen praktisch?
Um das Jacobson Organ freizulegen, muss das Pferd die Oberlippe stark zurückschlagen. Vermutlich wird der Reiz durch eine erste Geruchsaufnahme über die Nasenschleimhäute ausgelöst. Diese stehen mit zahlreichen Gesichtsmuskeln und –nerven in Verbindung. Werden hier bestimmte Gerüche, die in die oben genannten Kategorien fallen, wahrgenommen, setzt das Pferd automatisch zum Flehmen an.
Kopf und Hals werden dabei deutlich nach vorne und leicht nach oben gestreckt. Manche Pferde drehen den Kopf und Hals beim Flehmen leicht. Die Ohren sind flach zurückgelegt und die Augen können ebenfalls verdreht sein. Die Oberlippe wird so weit angehoben, dass Zähne, Zahnfleisch und Gaumen sichtbar werden. Das Flehmen wird meistens von einem tiefen Atemzug begleitet.
Die Informationen, die auf die Geruchs-Sensoren treffen werden über Nervenimpulse zunächst zum Jacobson Organ und dann ins limbische System des Gehirns weitergeleitet. Der Organismus des Pferdes reagiert auf die Sinnesreize mit der Ausschüttung von Neurotransmittern (Botenstoffen), die entweder sexuelle Erregung, Fluchtbereitschaft oder die Bewegung in Richtung der ausgemachten Nahrungs- oder Wasserquelle auslösen.
Flehmen kann noch mehr bedeuten
Neben der reinen Aufnahme von Gerüchen zeigen Pferde das Flehmen, wenn sie sich besonders wohlfühlen. Die näheren Zusammenhänge von Entspannung und der Freilegung des Jacobson Organs sind wissenschaftlich noch nicht ausreichend geklärt.
Genauso gut kann das Pferd auch Flehmen, wenn es Schmerzen hat. Beobachtet wurde das Verhalten bereits in Verbindung mit Problemen im Gastrointestinaltrakt wie beispielsweise Koliken oder Magengeschwüren.
Flehmen dem Pferd beibringen
Es sieht schon sehr kurios aus, wenn ein Pferd flehmt. Im Zirkus oder humorvollen Pferdedressuren ist es ein häufig gezeigter Trick.
Man kann einem Pferd das Flehmen auf Kommando beibringen. Dazu gibt es verschiedene Wege.
Zunächst muss sich der Halter ein passendes Kommando überlegen. Pferde verstehen kurze Prägnante Wörter oder besondere Betonungen am besten. Ein lang gezogenes „Fleeehhhmmm!“ oder kürzeres „Flehm bitte!“ mit einer prägnanten Betonung können reichen.
Soll der Trick in ein bestimmtes Umfeld eingebaut werden, können Sätze wie „Küss mich!“ oder „Zeig mir, ob du deine Zähne geputzt hast!“ witzig sein. Bei längeren Kommandos braucht das Pferd allerdings auch ein bisschen länger, bis es sie sich gemerkt hat. Ein spezifisches und unauffälliges Handzeichen kann komplizierte Stimm-Kommandos unterstützten oder auch als alleiniges Kommando gewählt werden.
Pferde, die viel und gerne flehmen oder den Aufmerksamkeits-Effekt selbst schon entdeckt haben, eigenen sich natürlich besser für diesen Trick. Das Flehmen muss über einige Zeit hinweg konditioniert werden. Das bedeutet, dem Pferd muss gezeigt werden, dass dieses Verhalten erwünscht ist und es auf das Kommando hin wiederholt werden soll.
Dazu eigenen sich
- Lob mit der Stimme
- Clickern
- Leckerli
Früher brachte man Pferden das Flehmen durch das Auftragen von übel riechenden Cremes oder Pasten direkt auf das Maul oder die außen liegenden Teile des Jacobson Oranges bei. Das ist Tierquälerei und sollte von echten Tierfreunden unterlassen werden.
Viel spannender ist es, dem Pferd diverse natürliche Gerüche anzubieten. Dazu eignen sich Ingwerwurzeln, Kokosöl, eine neue Sorte Leckerli und vieles weiteres. Wichtig ist, dass der präsentierte Geruchsreiz weder ätzend noch allzu intensiv (wie beispielsweise pure ätherische Öle!) ist.
Dieses Riech-Spiel kann eine willkommene Abwechslung und richtig durchgeführt ein riesiger Spaß für Pferd und Mensch sein. Sobald das Pferd auf einen Geruchs-Reiz hin flehmt, wird gelobt und das Kommando wiederholt.
Wer einen Wallach oder gar Hengst sein Eigen nennt, wird das Pferd öfter auf natürliche Weise flehmen sehen. Insbesondere wenn rossige Stuten in der Nähe sind, wird fleißig geflehmt. Auch in diesem Fall kann eine Konditionierung über Clicker, Lob und Kommando erfolgen. In diesem Fall sollte der Mensch jedoch besonders darauf achten, dass das Pferd richtig interpretiert, was es tun soll. Wer falsch clickert oder lobt, kann den Sexualtrieb des Tieres unnötig in die Höhe treiben!
Geübt wird regelmäßig, langsam und ohne Übertreibung. Pferde brauchen manchmal etwas Zeit, bis sie die richtige Kombination der Sinnesreize umsetzen und wiederholen können. Die meisten Pferde arbeiten jedoch gerne mit, wenn Unterhaltung, Lob, Leckerchen und Aufmerksamkeit im Spiel sind.